4 Sep 2006
Die Geschichte geht schon seit einiger Zeit durch die Presse und ist Euch bestimmt nicht unbekannt, hier mal eine kurze Zusammenfassung und die aktuellen Entwicklungen des Falls aus Österreich, sowie der Hinweis auf das erste Interview mit Natascha, das auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird.
Am 2. März 1998 wird ein 10-jähriges Mädchen in Wien entführt. Natascha K. wird auf dem Weg zur Schule verschleppt. Eine Zeugin sieht, wie Natascha in einen weißen Lieferwagen gezerrt wird. Seit diesem Tag fehlt jede Spur von dem Mädchen. Acht Jahre später meldet sich eine junge Frau bei der Polizei in Wien und gibt sich als Natascha K. aus. Mittels DNA-Test wird die Behauptung der jungen Dame bestätigt.
In einem Brief wendet sich Natascha K. an die Öffentlichkeit und gibt einige Details aus ihrer 8-jährigen Gefangenschaft preis. Dabei wird festgestellt, dass der Fall unglaubliche Ähnlichkeit mit dem Thriller „Der Sammler“ (1963) von John Fowles hat. Das Buch wird jedoch nicht in der Wohnung von Wolfgang P. gefunden und somit ist auszuschließen, dass er als Vorlage diente. Natasche K. die am 23. August den Händen ihres Entführers entkommen konnte, zeigt sich der Öffentlichkeit gegenüber unheimlich stark. In einzelnen Passagen ihres Briefes nimmt sie „Wolfi“ sogar in Schutz und ein Gefühl von Trauer empfindet sie auch, nachdem ihr Entführer Selbstmord begangen hat. Das läßt sich sicherlich mit dem Stockholm-Syndrom erklären.
Nun stellt sich Natascha K. das zweite mal der Öffentlichkeit, diesmal in Form eines Interviews. Lediglich dem österreichischem Fernsehsender ORF hat sie die Möglichkeit gegeben ein maximal 20-minütiges Interview mit ihr zu führen. Es handelt sich dabei um ein exklusives Interview. Der Fernsehsender darf dieses Interview weiterverkaufen und prompt hat RTL 200.000 Euro aufgebracht (wie bis vor kurzem noch in einigen Meldungen im Internet zu lesen war) um eine Stunde zeitversetzt am 6. September 2006 um 21:15 Uhr das Interview mit Natascha K. im deutschen Fernsehen zu senden. Die Geldsumme ist mittlerweile aus diversen Meldungen verschwunden.
Ich bin gespannt, was im Interview mit Natascha noch ans Tageslicht kommt. Sehen wird man Natascha K. nicht wirklich. Das Interview wird so gedreht, dass sie auf der Straße nicht wiederzuerkennen ist.
Dieser Fall ist genauso unheimlich wie die Entführung von Felix in Dresden 1985. Nur ist Felix bis heute nicht aufgetaucht.
Natascha K. und das erste Interview
Es gibt 10 Kommentare
Naja, man hat sie doch gesehen. Aus psychologischer Hinsicht finde ich es verantwortunglos, dieses Interview zugelassen zu haben.
Außer dass wohl keiner sich in die Situation bzw. in die psychische Verfassung dieses Mädchens hineinversetzen kann, muss ich sagen, es hat mich schockiert, wie elaboriert sie sich ausgedrückt hat, mit welchem Kalkül sie bereits nach kurzer Zeit ihren wirtschaftlichen Wert (an)erkannt hat und nicht lange herumfackelt im Interview dies offen kundzutun. Eine ( vielleicht verständlich ) bizarre Persönlichkeit.
Ich habe das Interview mit Interesse verfolgt, genau wie 7 Mio. weitere Zuschauer in Deutschland. Ich fand das Interview mutig und denke, dass das natürlich nicht ihre eigene Entscheidung war.
Was in der medialen Welt heute dazu auffällt: Vor dem Interview zereißt man sich das Maul über ihren wirklichen Zustand, nach dem Interview kommen alle Experten wieder hervor und analysieren bis ins kleinste Detail ihre Verhaltensweisen/Körpersprache/Gestik während des Interviews. Leute, lasst das Mädel doch erstmal in Ruhe.
Und Natascha kann ich nur empfehlen, sich erstmal um sich selbst zu kümmern, statt sich sofort für andere Hilfebedürftige einsetzen zu wollen (auch wenn sie es nur gut meint).
Ich finde es unglaublich bescheuert, wenn man sich dieses Interview überhaupt ansieht. Klar ist es nicht gerade toll, was ihr passiert ist. Muß man daraus aber nun so ein Hype machen? Das perverse an der Geschichte ist doch, dass es 7. Mio Menschen waren, die es gesehen haben.
Haben diese Leute keine anderen Sorgen/Probleme, als sich sowas anzusehen? Wir soll sie denn zur Ruhe kommen, wenn alle – aus meiner Sicht – sinnloses Interesse haben?
Genauso dreist finde ich die Fragen nach Buch- und Filmrechten. Wie krank ist die Menschheit schon, dass sie sowas, vielleicht sogar bis ins kleinste Detail, für die Nachwelt hochauflösend digitalisieren wollen? Sorry, aber ich finde das extrem geschmacklos.
Danke für diesen Kommentar, MARS3142. Ich bin auch nicht traurig darüber, es mir nicht angeschaut zu haben. Man bekommt in den Nachrichten ja eh alles mit, ob man nun will oder nicht. Mitgefühl ist ja in Ordnung und angebracht, aber irgendwie scheinen viele Leute wirklich nicht genug eigene Probleme oder Interessen zu haben, ohne es verallgemeinern zu wollen. Um mal wieder „runterzukommen“, sollte man sich lieber mit dem Hunger und anderen globalen Problemen beschäftigen; das ist bestimmt konstruktiver.
Interessante Diskussion und Meinungen. Axel, wir kommen wohl nie überein, ich vertrete weiterhin die Meinung bevor man Mitleid globalisiert, erst einmal vor der eigenen Tür zu schauen: http://www.juber.de/wss/?p=317 (in den Kommentaren)
Was Natascha betrifft ist mir der ganze Fall von anfang an ziemlich suspekt. Es gibt mit Sicherheit viele viele andere traurige Fälle, die nicht so in die Medien gestellt werden und ich würde jetzt auch nicht unbedingt den Medien die alleinige Schuld am großen Interesse an Natascha Kampusch geben. Ihr Verhalten ist in einigen Punkten so kontrovers, dass es nahezu die Neugier auf sich zieht. Nur um ein Beispiel zu nennen: Wie kann Natascha den Täter in Schutz nehmen, von dem es jahrelang gepeinigt wurde?
Peter, ich finde das Interesse solche Fälle zu verfolgen natürlich und gerade ein Interview ist ja wohl die beste Informationsquelle. Wenn Du selbst Kinder hast, möchtest Du, das Dein eigenes Kind nicht in eine Situation gerät und solche Fälle geben ja auch Anzeichen preis die vielleicht zu soetwas führen können. Außerdem finde ich auch die Abschreckung für mögliche Täter: Du tust etwas was nicht recht ist und wir werden es Dich nicht im Dunkeln machen lassen sondern gemeinsam und öffentlich dagegen vorgehen. Ich finde, dass solche Themen (selbstverständlich nicht zu Lasten des Opfers!) öffentlich behandelt werden sollten, auch um Lösungen zu finden soetwas zu verhindern.
Übrigens, das Interview mit Natascha Kampusch wird am 9. September 17:45 Uhr erneut bei RTL ausgestrahlt. Dieses mal wohl in voller Länge (was auch immer das heißen mag?).
Ich möchte kein Mitleid globalisieren. Es geht auch gar nicht um Mitleid. Einfach mal (ganz ohne Wertung) ab und zu daran denken, dass hier wochenlang ein Thema hochstilisiert wird (von wem auch immer), und tausenden Schicksale anderer Menschen, die zufällig nicht in meiner Nachbarschaft leben, gerade mal eine Schlagzeile auf den hinteren Seiten gewidmet wird.
Stefan, ich glaube aber nicht, dass ein Interview der richtige Weg wäre um sowas zu verhindern. Ich wüßte zwar keine Alternative, aber ich wette weder ihr noch uns ist damit geholfen, wenn sie öffentlich interviewt wird.
Axel hat aber Recht. Sie ist ein Fall, der extrem gepushed (durch wen auch immer) wird und um die Ecke passieren viel brutalere „Abschlachtungen“ (als Beispiel) und die werden wirklich nur kurz genannt.
MTV stoppt Werbung für Kampusch-Klingelton:
http://www.tvmatrix.de/?newsid=7308
… ohne Kommentar
Für die, das Interview verpasst haben:
(Part 1 of 4) http://www.youtube.com/watch?v=6bqUPTiC3Nk
(Part 2 of 4) http://www.youtube.com/watch?v=6nspmUHJ8Ck
(Part 3 of 4) http://www.youtube.com/watch?v=Mlb9ywxb7fo
(Part 4 of 4) http://www.youtube.com/watch?v=EEZnh1blZwc
Ich weiß nicht, ob das richtig weg ist, vor so etwas abzuschrecken.
Mittwoch, 03.01.2007, 21.15 Uhr, RTL: Natascha Kampusch – Die ganze Wahrheit, eine 50-minütige Dokumentarin und das zweite TV-Interview.
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