6 Feb 2010
Nach dem Beitrag in dem ich mich kritisch zum „Zeugnis“ des ersten Schulhalbjahrs geäußert habe, kam die Frage auf, was denn ein Schulanfänger überhaupt im ersten Schulhalbjahr lernt? Einige Änderungen am Schulsystem, wie z.B. die Abschaffung von Schulnoten und die Zusammenführung der 1. und 2. Klasse zur FLEX-Klasse (die so genannten Schulanfangsphase), hat für zum Teil heftige Kritik am Schulsystem gesorgt.
Da Leo nun das erste Schulhalbjahr absolviert hat, habe ich Informationen aus erster Hand, was bisher gelehrt wurde. Auf die FLEX-Klassen möchte ich dabei nur am Rande eingehen, dazu hört Euch bitte die 82. Sendung unseres Podcasts an. Auf Wunsch kann ich auch dazu unsere bisherigen Erfahrungen in einem gesonderten Beitrag niederschreiben.
Fast die Hälfte des Alphabets lernt ein Schulanfänger im ersten Halbjahr in der Schule. Es fehlen die Buchstaben: B, C, F, G, H, J, K, Q, R, V, W, X, Y, Z.
Geschrieben wird in der „1. Klasse“ anfänglich in Druckbuchstaben. Fast 90% der gelernten Buchstaben wurden jedoch auch schon in der Schreibschrift gelehrt.
Das Lesen beschränkt sich nicht auf einzelne Worte, sondern umfasst kurze Sätze aus den gelernten Buchstaben. Wie z.B.: „Lisa malt Tim“. Die Fibel wird übrigens nicht verwendet, da die „Auswendiglerngefahr“ sehr hoch ist. Stattdessen werden Lernhefte eingesetzt.
Schwierigkeiten scheinen die Schulanfänger mit dem Stoff nicht zu haben. Leo ist zumindest nicht die große Ausnahme mit 6 Jahren schon lesen zu können (inklusiver der noch nicht gelehrten Buchstaben).
Gerechnet wird im ersten Schulhablbjahr mit den Zahlen bis 8. Die Addition und Subtraktion spielt sich im positiven Zahlenbereich ab. Dabei wird auch mit optischen Mengen gerechnet, um die Kinder im Erfassen von Mengen zu schulen.
Auch hier ist es keine Seltenheit, dass Schulanfänger von sich aus schon weit höher zählen und rechnen können.
Im Unterrichtsfach Sachkunde lernen die Kinder Verkehrsregeln, basteln oder erfahren welche Vögel es so gibt.
Der Sportunterricht ist spielerisch angesetzt. Zwar ist Leo’s Schule auch sehr wettkampforientiert, im Mittelpunkt steht jedoch der spielerische Ansatz.
Außerdem gibt es noch Musik und Kunst, aber das läuft nicht anders ab als zu „unseren Zeiten“.
Für alle Interessierten hier noch kurz der Schulablauf im ersten Schuljahr:
Noten gibt es im ersten Schulhalbjahr nicht. Stattdessen wird tatsächlich mit Bienchen gewertet. Bienchen gibt es für die ruhige Teilnahme am Unterricht, für gute und für saubere Leistung. Für 3 Bienchen gibt es einen Stempel in das Hausaufgabenheft.
Auf die FLEX-Klassen möchte ich nur ganz kurz eingehen.
Dier Schulanfänger haben mit den „Zweitklässlern“ alle Fächer zusammen. Während die Lehrerin den „gehobenen“ Stoff erklärt, können die Schulanfänger zuhören. Mathe und Deutsch werden aber auch zu Teilen in getrennten Gruppen und Räumen unterrichtet.
Ich kann mich zwar nur noch schwer an meinen Stand nach dem ersten Schulhalbjahr erinnern, aber ich habe im Moment nicht das Gefühl, als wäre die Zeit die Leo bisher in der Schule verbacht hat umsonst. Das die Kinder mit Bienchen bewertet werden finde ich jetzt nicht so tragisch, aber Noten würden sicher auch nicht schaden.
Ich denke dass der Ruf des derzeitigen Schulsystems schlechter ist, als ihm zusteht. Die Leistung eines Kindes hängt übrigens nicht ausschließlich davon ab, was ihm in der Schule beigebracht wurde. – Eltern haben auch in schulischen Dingen eine Verantwortung für Ihre Kinder.
Was lernt (m)ein Kind im ersten Schulhalbjahr?
Es gibt 5 Kommentare
Hallo René,
danke für den ausführlichen und aufklärenden Beitrag. Durch die Fotos hat man einen Eindruck, wie es in der Schule zugeht.
Alles prima erklärt, aber ich sehe dies etwas anders. Meiner Tochter wurde immer attestiert, dass sie eine überdurchschnittliche Sprachbegabung hat, was lese ich heute *überwiegend*, da muss ich mal nachdenken, ob diese Art von Schulsystem nicht ein Schuss ist, der nach hinten los geht. Begabte Kinder werden hier nicht gefördert muss man annehmen, wenn man dies liest. Wir überdenken nun im 2. Jahr zu wechseln, da das Flexsystem bei uns nun bis zur 4. Klasse eingeführt wurde.
Ach so, vergessen, ich habe genug Elternarbeit bei meiner Tochter geleistet und war auch als Lesemutter aktiv und da sah ich auch schon Defizite der Kinder. Alle die Flex wählen, sollten wirklich ein Augenmerk auf ihre Kinder haben.
@silinda:
Eltern sehen ihre Kinder in den meisten Fällen als überaus begabt an und aus meiner Arbeit im Schulrat weiß ich, dass die Kinder in der Schule meist ganz anders sind und dann doch nicht alles mit Links machen wie man es als stolzer Elternteil vermutet. Es ist wahrscheinlich so wie jeder Mutter Ihr Kind für das schönste hält.
Wir halten unseren Leo auch für sehr begabt. Er rechnet ohne Probleme bis 20, liest fließend, spielt Klavier etc. – Aber ich glaube nicht, dass an die Schule die Verantwortung abzutreten ist, dieses Niveau zu halten. Leider ist bei den aktuellen Klassengrößen von über 20 Kindern eine Individualbetreuung ausgeschlossen und es gibt genügend Kinder denen der Stoff schwer fällt und die nicht hinterherkommen.
Wie Silinda schon sagt, man sollte ein Augenmerk auf seine Kinder werfen … ich empfehle das auch zu tun, wenn sie nicht in dem ungeliebten FLEX-System stecken. Gerade in der Schulanfangsphase kann man mit dem Schulstoff als Elternteil locker mithalten und das Kind beim Lernen unterstützen.
Die Aussage „Die Schule hat mein begabtes Kind dumm gemacht.“ ist meiner Meinung nach nicht akzeptabel.
Welches Bundesland is das denn?
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